Das Freischleusenwehr in der Oker mit Straßenbrücke K121 - Ansicht von Unterwasser

Untersuchungen und Sofortmaßnahmen am historischen Freischleusenwehr der Rothemühle an der Oker
von Dipl.-Ing. Martin Krentz

Im Hinterfüllungsbereich der Wehrwangen des Okerwehres „Freischleuse“ ist es im Winter 2003/2004 zu Bodenversackungen gekommen. Das Wehr ist Bestandteil der Stauhaltung der Rothemühle in der Gemeinde Schwülper, Ortsteil Rothemühle. Es wird von der zweispurigen Brücke der Kreisstraße K 121 überspannt. Dem Besitzer und Betreiber der Rothemühle, Herrn Dipl.-Ing. R. Brüdern, wurde von der Bezirksregierung Braunschweig per Verfügung vom 03.03.04 aufgetragen, einen Fachgutachter zu beauftragen, um „den festgestellten Schaden auch hinsichtlich der Standsicherheit der gesamten Anlage ... bewerten zu lassen und ein Sicherungs- und Sanierungskonzept vorzulegen“

Herr Dipl.-Ing. Brüdern hat daraufhin durch Vermittlung des Mühlenverein Lüneburg e.V und nach Abstimmung mit der Bezirksregierung die Büros Albert Pielsticker Ingenieurbüro für Spezialtiefbau und Martin Krentz Ingenieurdienst für Spezialtiefbau mit der Ausführung folgender Leistungen beauftragt :

  • Grundlagenermittlung und Sichtung verfügbarer Unterlagen
  • Bestandsaufnahme durch Taucherinspektion und Baugrunduntersuchung
  • Erarbeitung eines Konzeptes für die Sofortsicherung des Wehres
     

Im Rahmen der Bestandsaufnahme wurde erkannt, dass die Schädigung der Anlage im Unterwasserbereich weit über das erwartete Ausmaß hinaus geht und bereits eine Einsturzgefahr, und somit auch eine akute Gefährdung für die Kreisstraßenbrücke, gegeben ist. Daraufhin wurde durch den Landkreis Gifhorn die Sperrung der Brücke veranlasst.

Anhand der Feststellungen der Taucher wurde die Struktur des Bauwerkes aufgenommen und zeichnerisch dargestellt. Es stellte sich heraus, dass das Wehr auf einer Holzkonstruktion gegründet war. Die Tatsache, dass die vorgefundene Holzgründung in gleicher Weise konstruiert war, wie die Gründung der Rothemühle, ließ den Schluss zu, dass beide Bauwerke in der gleichen Zeit, also ca. 1720-21, errichtet worden sind. Ferner stellten die Taucher fest, dass die Befestigung der Sohle im Bereich unterhalb des Wehrverschlusses (Tosbecken) ursprünglich mit einer Beplankung aus Holzbohlen versehen war. Aus historischen Beschreibungen über gleichartige Bauwerke ließ sich folgern, dass diese Beplankung als Schutz vor Bodenauswaschungen (Erosion) vorgesehen war.  Im unterwasserseitigen Teil des Bauwerkes fehlte zum Zeitpunkt der Untersuchung zum größten Teil die Holzbeplankung der Sohlbefestigung. Dadurch war es zu tiefreichenden Sandausspülungen in diesem Bereich gekommen. Folglich wurden Teile der seitlichen Wände des Wehres (Wehrwangen) und des festen Gründungskörpers des Wehrverschlusses (Wehrschwelle) unterspült, d.h. der tragfähige Boden wurde entzogen. In diesen Bereichen standen nun die Holzpfähle der Gründung frei im Wasser, so dass das darüber befindliche Mauerwerk nicht mehr getragen werden konnte. Damit waren die beträchtlichen Verformungen der Wehrwange und die Versackungen der Bodenhinterfüllung bis hin zur Geländeoberfläche erklärbar.

Neben der Taucheruntersuchung wurde durch Rammsondierungen und Rammkernbohrungen eine Erkundung der Baugrundverhältnisse durchgeführt. Rammsondierungen dienen zur Feststellung der Konsistenz, bzw. der Lagerungsdichte, also der Tragfähigkeit der einzelnen Bodenschichten. Rammkernbohrungen ermöglichen zusätzlich auf wirtschaftliche Weise die Feststellung der Bodenschichtenfolge und im Zusammenhang mit den vorg. Rammsondierungen die Abschätzung  erforderlicher Bodenparameter für erdstatische Berechnungen. Mit Hilfe dieser Erkundung wurde die Ausdehnung des durch den Bodenentzug verursachten Tragfähigkeitsverlustes festgestellt.

Um die Standsicherheit des Wehres und damit also auch die Sicherheit der Kreisstraßenbrücke wiederherzustellen, wurde im April 2004 durch den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz (NLWK) veranlasst, dass die Auskolkungen der Sohle im Unterwasserbereich mit grob- und feinkörniger Schlacke aufgefüllt wurden. Anschließend wurde der verbliebene Spalt zwischen dem Mauerwerk und der Auffüllung mit speziellem Unterwasserbeton verfüllt. Die Oberfläche der Schüttung wurde mit Vergussmörtel gegen erneutes Ausspülen gesichert.

Eine endgültige Sanierung des Wehres wurde bis dato nicht begonnen, da es bisher zwischen den Beteiligten zu keiner Einigung über die Zuständigkeiten und die Finanzierung gekommen ist.

Eine Einigung wird offensichtlich dadurch erschwert, dass das Wehr verschiedenen Zwecken dient. So kommt die Stauhaltung u.a. dem Mühlenbetrieb und dem Hochwasserschutz zugute. Das denkmalgeschützte Bauwerk selbst stellt jedoch auch einen Schutz der neu errichteten Kreisstraßenbrücke vor Unterspülung dar. Ebenso erfüllt die Stauhaltung - allein durch ihre Existenz über mehr als zwei Jahrhunderte hinweg- bedeutende kulturtechnische Aufgaben wie z.B. Stabilisierung des Grundwasserspiegels und Schutz der Okersohle vor Erosion. Demzufolge sind neben der Bezirksregierung Braunschweig und dem Inhaber des Staurechtes auch der Landkreis Gifhorn als Bau-, Verkehrs- und Denkmalschutzbehörde, sowie der NLWK, die Gemeinde Walle und die Samtgemeinde Groß Schwülper mit dem Thema konfrontiert. Die Einigung wird zusätzlich durch ungeklärte Fragen bzgl. der Eigentumsverhältnisse und der Unterhaltungspflichten verzögert.

Die von dem Besitzer der Rothemühle beauftragten Untersuchungen der Ingenieurgemeinschaft Pielsticker - Krentz wurden im April 2004 mit einem Zustandsbericht zunächst abgeschlossen. Die umfangreiche Darstellung der bautechnischen Situation und des Sanierungsbedarfs diente als Grundlage für die Sicherungsarbeiten. Gleichfalls stellte das Ergebnis der Aktenrecherche und die Erläuterung der baulichen Veränderungen des Bauwerkes durch den Neubau der Straßenbrücke eine Grundlage für die Klärung der Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten dar.

Kontaktadressen der mit der Schadensaufnahme betrauten Ing.- Büros:

Albert Pielsticker
Ingenieurbüro für Spezialtiefbau
Am Schulweg 34
21279 Appel / Eversen
Tel.:04165 / 971016
Fax: 04165 / 971017
Mobil: 0170 / 4139749
E-mail:
albert.pielsticker@t-online.de

 Martin Krentz
Ingenieurdienst für Spezialtiefbau
Putenser Str. 12
21376 Eyendorf
Tel.: 04172 / 961690
Fax: 04172 / 961697
Mobil: 0170 / 5667036
E-mail:
mail@Martinkrentz.de
Web: www.Ingenieurdienst-Spezialtiefbau.de

 

Fotos: Martin Krentz (5); Heinz Thiemann (1)
Zeichnungen: Martin Krentz (4)

Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.