Die Legende vom Müller von Sanssouci
- Ein anschauliches Kapitel friderizianischer Rechtsprechung -
(Schluss)

Da der König vom Recht des Müller überzeugt war, griff er in das Gerichtsverfahren ein. Im Glauben, die Justizia verweigere seinen Untertanen aus Standesdünkel eine gerechte Behandlung, schrieb er an den Justizminister von Zedlitz: “Der Herr wird mir nichts weiß machen. Ich kenne alle Advokaten-Streiche und lasse mich nicht verblenden. Hier ist ein Exempel nötig, weiln die Canaillen enorm von meinem Namen Missbrauch haben, um gewaltige und unerhörte Ungerechtigkeiten auszuüben. Ein Justitiarius, der chicanieren tut, muss härter als ein Strassen Räuber bestrafft werden. Denn man vertraut sich am ersten, und vorm letztern kann man sich hüten!”
Und Friedrich statuierte ein Exempel!  Er zitierte Großkanzler Max von Fürst und die Kammergerichtsräte Friedell, Graun und Ransleben aufs Berliner Schloss und beschimpfte sie als “Schelme und Spitzbuben”. Ihr Urteil disqualifizierte er als einzige “Fickfackerei” und äußerte:
“... ein Justizkollegium, das Ungerechtigkeiten ansieht, ist gefährlicher und schlimmer wie eine Diebesbande.” Die Konsequenzen für alle Beteiligten fielen drastisch aus. Großkanzler von Fürst gab er mit den Worten den Laufpass: “Marsch, marsch! Seine Stelle ist schon besetzt!” Die Kammergerichtsräte mussten ein Jahr in die Festung Spandau einziehen. Landrat von Gersdorff und Graf Finck von Finckenstein verloren ihre Ämter.
Friedrich II. hob das Urteil gegen Müller Arnold kraft seiner königlichen Macht auf, gab ihm die “Krebsmühle” zurück und wies die Zerstörung des Karpfenteiches an. Wenig später musste er sich davon überzeugen lassen, dass der von ihm verteidigte Müller Arnold gelogen hatte. Zwischen Karpfenteich und “Krebsmühle” befand sich nämlich eine Schneidemühle, die niemals an Wassermangel gelitten hatte. Trotz seines Irrtums, ließ der gerechte König ungerechterweise die drei Gerichtsräte ihre Spandauer Haft bis zum letzten Tag absitzen. Der verschlagene Müller durfte seine Mühle behalten.
Erst nach dem Tode Friedrichs des Großen wurde der Arnold-Prozess in einem Revisionsverfahren zu Ende gebracht. Friedrich Wilhelm II. löste den Justizirrtum in einem diplomatischen Kompromiss auf , denn längst verklärte die Legende des Müllers von Sanssouci seinen berühmten Onkel Friedrich II. als gerechten König. Der neue König entschied, dass der Arnold-Prozess als Folge “eines Irrtums, wozu der ruhmessüchtige Justizeifer unseres in Gott ruhenden Onkels Majestät durch unvollständige, der wahren Lage nicht angemessene Berichte übel unterrichteter praeoccupierter (voreingenommener) Personen verleitet worden, anzusehen” ist.

Nun kennen wir die wahre Geschichte, die sich mit unterschiedlichen Personen zu verschiedenen Zeiten an voneinander sehr entfernten Schauplätzen ereignet hat und erst später zur Legende des Müllers von Sanssouci umgetextet worden ist. Wie weit sich die Legende von den historischen Begebenheiten unterscheidet, wird jedem klar geworden sein. Trotzdem dokumentiert sie auf bildhafte Weise eine der historischen Leistungen Friedrichs II., nämlich gemeinsam mit dem fähigen und der Aufklärung verbundenen Großkanzler und Justizminister Freiherr Samuel von Cocceji (1679 - 1755) das preußische Justizwesen grundlegend reformiert zu haben. Dazu gehörte der Grundsatz, die Untertanen nicht weiterhin durch Adelswillkür ruinieren zu lassen, weil deren Existenz und Arbeit erst das Wohl des Staates sicherten. So lässt sich schließlich der eigentliche Ausgangspunkt der Legende vom standhaften Müller, der sein Recht selbst gegenüber dem König zu behaupten weiß, in einem Ausspruch Friedrichs anlässlich des Arnold-Prozesses finden: “Wan die Justiz Ungerechtigkeiten Tuhet ist Sie Schlimmer wie Strasen Räuber, ein Müller ist ein Mensch Eben So guht wie ich bin.”

Dieser königlichen Erkenntnis ist nichts mehr hinzuzufügen.

Entnommen aus:
Karl-Heinz Otto “Die Mühle von Sanssouci”
Edition Märkische Reisebilder
Potsdam 2003

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Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.