Die Legende vom Müller von Sanssouci
- Ein anschauliches Kapitel friderizianischer Rechtsprechung -
(Fortsetzung)

Die Botschaft der Legende ist eindeutig: Im friderizianischen Preußen herrschen Gesetz und Ordnung, und natürlich regiert hier ein gerechter König. Preußen: ein wahrlich aufgeklärter Staat, in dem jedermann, ob Müller oder König, vor dem Gesetz gleich ist!
Schwieriger dagegen sind die historischen Hintergründe für diese Legende zu finden. Doch erhellen wir erst einmal den aller Phantasie entkleideten historischen Vorgang der Geschichte. Friedrich II. hat sich zu keiner Zeit vom Geklapper der Grävenitzschen Mühle belästigt gefühlt. Im Gegenteil! Der König empfand sogar, dass “die Mühle dem Schloss eine Zierde sey”, denn ihre Anwesenheit betonte den angestrebten ländlichen Charakter seines Weinbergschlosses, in dem er fern dem Berliner und Potsdamer Hof ohne Sorge - sans souci - als musizierender und dichtender Philosoph leben wollte.
Tatsächlich führte Müller Johann Wilhelm Grävenitz (um 1703 - 1774) gegen den König Beschwerde, als Friedrich II. in den Jahren 1745 bis 1747 durch Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff (1699 - 1753) in unmittelbarer Nähe der Mühle sein Sommerschloss Sanssouci errichten ließ. Die Bauarbeiten waren noch in vollem Gange, da flatterte dem König bereits die erste Bittschrift auf seinen Arbeitstisch im Potsdamer Stadtschloss. Am 4. Juni 1746 beorderte Friedrich II. die Grävenitzsche Beschwerde zur Prüfung an die Kriegs- und Domänenkammer weiter und fügte den folgenden aufschlussreichen Begleittext hinzu: “... welchergestalt der Wind Müller Johann Wilhelm Grävenitz zu Potsdam sich beklaget, dass seine Wind Mühle, nachdem unser dortiges Lustschloss gantz nahe an derselben erbauet, der Weinberg mit hohen Mauern umgeben und hohe Bäume gepflanzet wurden, aus Mangel des Windes stille stehen müsste, gleichwohl aber die jährliche Pacht...” von ihm bezahlt werden müsste. Der Müller bat deshalb den König, den Pachtzins zu senken oder ihm an einem geeigneteren Ort den Aufbau einer neuen Mühle zu erlauben und natürlich zu bezahlen.
In diesem durch Müller Grävenitz ausgelösten Streit erwies sich Friedrich II. tatsächlich als gerechter und großzügiger König. Schloss Sanssouci beeinträchtigte wirklich die Funktion der Bockwindmühle, deren Flügel ja wesentlicher tiefer standen als die des späteren Galerie-Holländers. Friedrich anerkannte also die Beschwerde des Müllers und ließ ihm bei Babelsberg eine neue Bockwindmühle erbauen. Grävenitz nutzte jedoch die Großzügigkeit des Königs doppelt aus. Er bewirtschaftete die neue Mühle und verkaufte 1753 die Mühle am Schlosse an den Müller Kalatz. Als sich der Mühlen-Streit zwischen Grävenitz und Friedrich zutrug, ahnten beide noch nicht, dass die Geschichte einst, allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen, als Legende des Müllers von Sanssouci der Nachwelt überliefert werden würde.
Wie wir sehen konnten, bot der Streit um die Grävenitzsche Bockwindmühle kaum die ausschlaggebende Grundlage für die Legende des Müllers von Sanssouci , obwohl seine Mühle später nicht zuletzt wegen dieser Legende als Historische Mühle von Sanssouci weiterlebte.
Zur Legendenbildung trug vielmehr ein weiterer Vorfall bei, der sich weitab von Potsdam im ehemaligen Neumark-Kreis Züllichau-Krossen ereignet hatte. Zwar stand hier kein Windmüller, sondern ein Wassermüller im Zentrum des Geschehens. Doch das spielt, wie wir schon wissen, als Stoff für eine Legende keine besondere Rolle. Der Wassermüller Christian Arnold betrieb seit 1762 im neumärkischen Pommerzig die “Krebsmühle” in Erbpacht. Den Zins kassierte Graf von Schmettau. Als der Müller seine Pacht nicht mehr bezahlen konnte, verklagte ihn der Graf und ließ die Wassermühle kurzerhand versteigern. Arnold wehrte sich mit einer Gegenklage und behauptete, Landrat von Gersdorff habe oberhalb seiner Mühle einen Karpfenteich angelegt, ihm somit das Wasser entzogen und ihn unverschuldet in Pachtrückstand getrieben. Als das Obergericht der Provinz Küstrin Arnolds Schadensersatzklage abwies, bat der Müller Friedrich II. um Rechtsbeistand. Und tatsächlich nahm sich der König der Sache an. Doch erst nachdem auch das extra einberufene Appellationsgericht das Küstriner Urteil als rechtens bestätigt hatte, griff Friedrich persönlich in den Rechtsstreit ein. Friedrich II. schickte einen Oberst und einen Regierungsrat vor Ort nach Pommerzig, um sich Klarheit zu verschaffen. Erst als diese zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangten, verwies Friedrich den Fall, “um die Sache ganz kurz abzumachen”, zur endgültigen Klärung an das Berliner Kammergericht (das wir in der Legende wiederfinden!). Aber auch dieses höchste preußische Gericht wies die Arnold-Klage zurück.

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Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.