Das „Sonninsche Gestänge" in Lüneburg

Nachbildung des „Sonninschen Pumpgestänges"
im Deutschen Salzmuseum Lüneburg

Der Niederländer Anthonie Waterloo, ein Reisender des 17.Jahrhunderts und bedeutender Landschaftszeichner seiner Zeit, hat das Motiv der Lüneburger Ratsmühlen und der Ratswasserkunst um 1660 mit 11 Wasserrädern dargestellt. Hieran läßt sich besonders eindrucksvoll die wirtschaftliche Bedeutung und technische Vielfalt des einstigen „Großbetriebes Lüneburger Ratsmühlen" ablesen. Doch nicht alle Wasseräder dienten ausschließlich dem Betrieb der Korn-, Walk-, Öl-, Papier-, Schleif-, Beutler-  und Lohmühle. - Im Jahre 1780 entwickelte der Hamburger Baumeister Ernst Georg Sonnin ein Rationalisierungsprogramm für Europas ältesten Industriebetrieb - die Lüneburger Saline. Er konzipierte ein technisches Verfahren, das die von  Wasserrädern der Ratsmühlen erzeugte Rotationsenergie in eine Pendelbewegung umwandelte und mit Hilfe eines hölzernen Gestänges über eine Distanz von 1,3 km zur Saline übertrug, um dort die Pumpen des Solebrunnens anzutreiben. Das Pendelgestänge - auch „Sulzfahrt" genannt - bestand aus Eichenbalken, die mittels Verblattungen und eisernen Laschen über die gesamte Länge aneinandergekoppelt und an 200 Stützportalen -  d.h. in einem mittleren Abstand von 6,50 m -  schwingend aufgehängt waren. 1782 wurde die „Sulzfahrt" in Betrieb genommen und erst nach 83 für die Lüneburger Bevölkerung quälend geräuschvollen Jahren - das Quietschen und Knarren des Gestänges hallte rund um die Uhr durch Lüneburgs Gassen -  in 1865 durch eine Dampfmaschine ersetzt. Während des Betriebes mußte das Gestänge täglich von sechs Arbeitern gewartet und geschmiert werden, um der hohen Störanfälligkeit  zu begegnen. „ Einen Tag Gang und acht Tage krank" wurde damals gespottet, doch dass die Lüneburger den quietschenden Holzwurm sabotierend ausser Gefecht setzten, um so zumindest zeitweise dem Lärm zu entgehen, ist eine nicht bewiesene Legende.

An der westlichen Aussenwand des „Kreuzmühle" genannten Hauptgebäudes der
Ratsmühle sind deutlich (mit weißen Pfeilen markiert) die zugemauerten, durch Rundbögen
gestützten Öffnungen für die Wellbäume von drei Wasserrädern zu erkennen, von denen eines oder alle drei (?) das „Sonninsche Gestänge" angetrieben haben.

Eine Original-Nachbildung des „Sonninschen Gestänges" kann auf dem Aussengelände des Deutschen Salzmuseums in Lüneburg besichtigt werden, ein Funktionsmodell im Museum zeigt die Wirkungsweise der „Sulzfahrt".

Wie die 350 m lange Seiltransmission von der Ilmenau zur Hönkenmühle ist das 1,3 km lange
Pumpengestänge von der Ratsmühle an der Ilmenau zur Lüneburger Saline ein eindrucksvolles Beispiel für außergewöhnliche technische Lösungen bei mechanischen Übertragungen der von Mühlrädern erzeugten Rotationsenergie über größere Distanzen .