Mühlenkultur in Holland
von Richard Brüdern 
(Teil II)

Die Achtkantmühle, bei bebauter Umgebung als Galerieholländer ausgeführt, stellt die ideale Synthese zwischen Zweckmäßigkeit und vollendetem Design dar. Unter Berücksichtigung dessen, daß den damaligen Mühlenbauern nur Holz und Schmiedeeisen als Werkstoff zur Verfügung standen, korrespondieren Flügelform und -anzahl mit den Ergebnissen unserer modernen Berechnungsmöglichkeiten. Wer jemals an einem Windmühlenflügel gestanden hat und den geschwungenen Verlauf des Hinterhecks bewundern konnte, kann sich dem Reiz dieser Technik wohl kaum entziehen.

Die Mühlenkappe, deren Größe durch das Bremsrad auf der Flügelwelle vorgegeben ist, setzt infolge ihrer aerodynamisch günstigen und ansprechenden Formgebung dem Wind nur wenig Widerstand entgegen.

Das Mühlengebäude, im oberen Teil verjüngt, weil es lediglich das Getriebe umschließen muß, behindert nur wenig die Luftströmung. Im unteren Teil breiter werdend, schafft es Raum für die Mahl- und Schrotgänge und erhöht die Standsicherheit. Beim Galerieholländer wird übergroße Bauhöhe harmonisch geteilt, wobei die Farbgebung für die Galerie diese Zweiteilung positiv betont.Wie harmonisch Flügelkreuz, Mühlenkappe, Achtkant und Galerie aufeinander abgestimmt sind, wird besonders deutlich bei Mühlen, die ein oder mehrere dieserHauptbestandteile verloren haben und als disharmonischer Torso an einstmals bessere Zeiten erinnern.

Liegt diese Harmonie darin begründet, daß die Hauptabmessungen der Mühle den Regeln des
Goldenen Schnittes folgen, oder wird vom Verfasser - dessen Lebensinhalt unsere Mühlen sind - eine nicht existierende Ästhetik in das Mühlengebäude hineininterpretiert? Der Leser möge selbst entscheiden.

Neben der Kokerwindmühle und der Kappenmühle, in Deutschland meist als Holländer bezeichnet, haben holländische Mühlenbauer noch ein weiteres Modell entwickelt, die Paltrockmühle. Bei diesem aus der Bockwindmühle hervorgegangenen Mühlentyp ruht das gesamte Gebäude auf einem Drehkreuz und muß mit einem Gaffelrad in Windrichtung gedreht werden. Paltrockmühlen haben in Deutschland und Holland eine unterschiedliche Entwicklung genommen. Die leicht konische Paltrockmühle wurde in unserem Nachbarland ausschließlich als
Sägemühle gebaut. In Deutschland sind Paltrockmühlen meist durch Umbau von Bockwindmühlen entstanden und werden als Getreidemühlen genutzt.

So wurde in Brumby in Sachsen Anhalt noch 1950 eine Bockwindmühle zu gewerblichen Zwecken mit 2 seitlichen Anbauten Paltrockmühle umgebaut und mit einer modernen maschinellen Einrichtung ausgestattet.

Mühlen haben in Holland, wie bereits erwähnt, das Land entwässert. Mühlen haben im goldenen Zeitalter als Sägemühlen, Farb-, Papier- und Gewürzmühlen den Handel belebt und Land zur Weltmacht verholfen, während in Deutschland der 30-jährige Krieg tobte. In Zaandam, einem Landschaftsgebiet nördlich Amsterdams,wurden 1707 ca. 1200 Windmühlen gezählt. 85 Jahre konnte der weitgereiste königlich preußische Fabrikkommissar Alexander Eversmann von 2300 lndustriemühlen berichten. Waren für das Ruhrgebiet die rauchenden Fabrikschornsteine das Markenzeichen industriellen Fortschritts, so waren es in Zaandam um 1700 die sich drehenden Flügelkreuze.

Die Sägewerke in Zaandam und der darauf beruhende Schiffsbau mit ca. 300 Stapelläufen pro Jahr haben Holland damals zur führenden Seemacht werden lassen.

Diese durch ideale Windverhältnisse begünstigte auf Windmühlen beruhende Ökonomie hat es in Deutschland nicht gegeben. Deutschlands Mühlen waren vor Einführung der Gewerbefreiheit Mitte des vorigen jahrhunderts meist von der Obrigkeit verpachtete Kundenmühlen für die lokalen Bedürfnisse. Trotzdem hatte auch Deutschland mit ca. 20.000 Windmühlen einen landschaftsprägenden Mühlenbestand. Während Süddeutschland von Wassermühlen beherrscht wurde, wurden im nördlichen Deutschland Ende des vorigen Jahrhunderts 6-9 Windmühlen pro 100 km2 gezählt, im Gebiet um Leipzig ca. 15 Mühlen pro 100 km2!

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Der KleiekotzerEin Magazin des Mühlenförderverein Lüneburg e.V.